blockfreie Staaten

blockfreie Staaten
blockfreie Staaten,
 
Bewegung blockfreier Staaten, Non-aligned Movement ['nɔnəlaɪnd 'muːvmənt, englisch], locker verbundene Gruppe von (1995) 115 Ländern, die sich trotz unterschiedlicher politisch-ideologischer Orientierung zum Prinzip der Nichtpaktgebundenheit (Blockfreiheit) und zur friedlichen Koexistenz auf der Basis der Gleichberechtigung aller Staaten bekennen.
 
Während des Kalten Krieges als Emanzipations- und Solidaritätsbewegung von Staaten (v. a. der Dritten Welt) entstanden, die außerhalb der beiden sich gegenüberstehenden Bündnissysteme (NATO und Warschauer Pakt) eine selbst bestimmte Entwicklung anstrebten, formierte sich die Bewegung blockfreier Staaten zu einer weltpolitisch beachteten Interessenvertretung der Entwicklungsländer. Als Vorläufer der Bewegung blockfreier Staaten gilt die Bandungkonferenz (1955); Gründungskonferenz war die Belgrader Konferenz (1961), an der sich 25 Staaten beteiligten. Bis 1995 fanden 11 Gipfelkonferenzen statt (seit den 80er-Jahren im regelmäßigen Dreijahresabstand); das jeweilige Gastgeberland übernimmt bis zum nächsten Treffen die Präsidentschaft. 1976 wurde ein Koordinationsbüro der Bewegung in New York eingerichtet; 1992 wurde beschlossen, dieses mit einem »Back-up«-System zu versehen, einer Art Sekretariat, das Entscheidungen kontrollieren und deren Verwirklichung fördern soll. Darüber hinaus bemüht sich die Bewegung blockfreier Staaten um eine Abstimmung ihres Wirkens mit der Gruppe der 77.
 
Im Verlauf ihres Bestehens vollzog sich ein Wandel in den Prioritäten der Bewegung: Spielten in den 60er-Jahren v. a. Fragen der nationalen Selbstbestimmung, der Entkolonialisierung und sicherheitspolitische Probleme der blockfreien Staaten in den durch Blockbildung und Ost-West-Konflikt geprägten internationalen Beziehungen eine zentrale Rolle, traten seit den 70er-Jahren ökonomische und entwicklungspolitische Aspekte in den Vordergrund, v. a. die aus dem Nord-Süd-Konflikt erwachsene Forderung nach einer »neuen Weltwirtschaftsordnung« sowie das Streben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit und verstärkter Süd-Süd-Kooperation (Grundsatz des »collective self-reliance« [»kollektive Eigenständigkeit«]). Unterschiedliche politische Positionen z. B. in regionalen Konflikten (etwa im Nahostkonflikt) oder der Versuch einiger Mitgliedsstaaten (z. B. Kubas), die Bewegung im außenpolitischen Sinne des Ostblocks zu beeinflussen, führten zu Spannungen, gelegentlich sogar zu Austritten (z. B. 1979 von Birma, das 1992 wieder Mitglied wurde). Die Gipfeltreffen in Jakarta (1992) und Cartagena (1995) befassten sich mit der durch die Beendigung des Ost-West-Konflikts (Auflösung der Machtblöcke) notwendig gewordenen Neuorientierung der Bewegung. Die blockfreien Staaten fordern eine grundlegende Reform der Vereinten Nationen, v. a. mit dem Ziel eines größeren Mitspracherechts der Entwicklungsländer entsprechend ihres weltpolitischen Gewichts (Antrag auf Erweiterung des UNO-Sicherheitsrats um Mitglieder aus ihren Reihen). In ihrem »Aufruf von Kolumbien« (1995) wandten sie sich gegen neokoloniale und protektionistische Tendenzen und setzten sich besonders für eine Wiederbelebung des Nord-Süd-Dialogs, einen fairen Welthandel, weitere globale Abrüstung, eine Bekämpfung von Armut und Terrorismus sowie verstärkten Umweltschutz ein.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Entkolonialisierung: Das Ende der Kolonialherrschaft und die Bewegung der Blockfreien
 

Universal-Lexikon. 2012.

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